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Wer seinen Golfschwung perfekt kontrollieren will, verliert oft genau das, was ihn effektiv macht: Rhythmus, Vertrauen und Natürlichkeit. Viele Amateurgolferinnen und -golfer über 30 kennen dieses Problem. Statt locker zu spielen, denkt man an Ellenbogen, Hüfte und Handgelenk – und der Schlag misslingt. Kontrolle wird so zum Feind.
Das Paradoxe dabei: Je mehr wir versuchen, jeden einzelnen Aspekt der Bewegung bewusst zu steuern, desto weniger gelingt es uns, einen flüssigen, rhythmischen Schwung zu erzeugen. Der Schwung wird abgehackt, die Bewegung wirkt künstlich, und der Ballflug entspricht selten den Erwartungen. Golf ist ein Zielspiel, und genau darin liegt die Lösung. Wer einen Ball gegen eine Wand wirft, denkt nicht an Schulterrotation oder Ellbogenwinkel. Er sieht das Ziel – und handelt automatisch. Diese Automatik ist auch im Golfschwung entscheidend.
🧠 Lösung: Spielbewusstsein statt Schwungkontrolle
1. Absicht vor Analyse
Entscheide dich vor dem Schwung, was du willst – z. B. „Draw in die linke Grünhälfte“ –
aber beobachte nicht, ob du alles richtig machst.
2. „Externes“ Ziel
Denk nicht an deinen Körper – denk an das Ziel.
Beispiel: Wie würdest du einen Ball gegen eine Wand werfen? → Du schaust auf das Ziel, nicht auf deine Schulterrotation.
3. Prozess statt Perfektion
Dein Ziel ist ein funktionaler Schwung, nicht ein perfekter.
Der Körper weiß oft mehr, wenn der Verstand nicht stört.
Natürlich spielt Technik eine wichtige Rolle. Ohne solides Fundament, ohne ein Grundverständnis für Griff, Stand und Ausrichtung ist ein reproduzierbarer Schwung kaum möglich. Doch entscheidend ist, den richtigen Zeitpunkt zu finden, wann Technik im Vordergrund steht – und wann man sie loslassen muss. Training und Spiel sind zwei unterschiedliche Welten. Im Training darf und soll analysiert, korrigiert und wiederholt werden. Hier sind Spiegel, Videoaufnahmen und Feedback wertvolle Helfer. Auf dem Platz dagegen zählt Vertrauen. Wer mit technischem Denken auf die Runde geht, verliert Leichtigkeit und Rhythmus.
🎯 Die zwei Modi im Golftraining
Modus | Ziel | Geisteshaltung | Beispiel |
---|---|---|---|
🎓 Technik-Modus (Training) | Verbesserung / Korrektur | Beobachtend, reflektierend | „Wie bewegt sich meine Hüfte?“ |
🎯 Spiel-Modus (Simulation) | Umsetzen / Vertrauen / Automatik | Loslassen, fühlen, fokussieren | „Ich spiele ein Fade ins Ziel.“ |
✅ Wann beobachten?
→ Im Technik-Modus, z. B.:
Am Anfang der Trainingseinheit
Wenn du gezielt eine Bewegung verändern willst
Mit Video, Spiegel oder externem Feedback
Bei „langsamen“ Schwüngen (z. B. 30–70 % Tempo)
Mit Wiederholung und bewusster Selbstwahrnehmung
👉 Ziel: Bewegung bewusst machen, neue Motorik festigen.
🧘♂️ Wann loslassen?
→ Im Spiel-Modus, z. B.:
Nach der Technikphase
Auf der Range bei Simulation (z. B. „9-Loch Challenge“ auf der Range)
Immer auf dem Platz
Mit Ziel, Routine, Vertrauen
Ohne Bewertung im Schwung („War das jetzt richtig?“)
👉 Ziel: Den neuen Bewegungsimpuls fließen lassen, ohne ihn zu stören.
Rhythmus statt Kontrolle – besonders im Kurzspiel
Ein hilfreiches Modell ist das Drei-Zonen-Training:
Zone 1: Technik-Zeit (30 %) – bewusste Wiederholung, langsame Ausführung, präzise Korrektur.
Zone 2: Übergang (30 %) – schneller und zielorientierter, mit nur einem klaren Fokuspunkt.
Zone 3: Spielfokus (40 %) – wie auf dem Platz: klares Ziel, feste Routine, Vertrauen – keine Technikgedanken mehr.
Viele Amateurgolferinnen und -golfer verwechseln die Zonen. Sie versuchen, während des Spiels technische Korrekturen vorzunehmen, oder sie trainieren ausschließlich „im Flow“, ohne bewusst an ihrer Technik zu arbeiten. Das Ergebnis: Stagnation. Erst die klare Trennung von Technik- und Spielfokus ermöglicht Fortschritte. Ein Profi wie Rory McIlroy wird im Training mit seinem Coach technische Details akribisch durchgehen. Doch sobald er im Turnier abschlägt, verlässt er sich auf Routine und Vertrauen.
Besonders im Kurzspiel zeigt sich die Bedeutung von Rhythmus. Chips und Putts leben weniger von Kraft oder Technik, sondern von Gefühl. Wer hier zu sehr kontrollieren will, verkrampft. Eine einfache Übung: Zehn Chips hintereinander mit geschlossenen Augen schlagen, nur auf den Rhythmus achten. Danach dieselbe Übung mit Zielvisualisierung. So lernt der Körper, seinem eigenen Bewegungsgefühl zu vertrauen.
Ein weiteres Problem vieler Spielerinnen und Spieler über 30 ist die mentale Überlastung. Beruf, Familie und Alltag lassen oft wenig Zeit für intensives Training. Auf der Runde trägt man dann eine Liste von To-dos im Kopf: Griff prüfen, Ausrichtung beachten, Ballposition anpassen, Schwunglänge kalkulieren. Doch je länger die Liste, desto weniger gelingt der Schlag. Golf sollte nicht wie ein Bürojob wirken. Stattdessen hilft es, das Platzsystem auf ein bis zwei feste Punkte zu reduzieren: ein klares Zielbild und ein stabiles Setup. Alles andere darf losgelassen werden.
Ein Bild macht diesen Unterschied besonders deutlich: Autofahren. Wer gerade den Führerschein macht, denkt an Kupplung, Blinker, Schulterblick, Lenkrad und Abstand – alles gleichzeitig. Mit Erfahrung läuft dieser Prozess unbewusst ab, und man konzentriert sich nur noch auf die Fahrt selbst. Genau so verhält es sich im Golf. Der Schwung muss automatisiert sein, damit der Kopf frei bleibt für das, was wirklich zählt: Ziel, Strategie und Rhythmus.
Künstler auf der Bahn und Kontrolleur auf der Range
Am Ende stellt sich also nicht die Frage: „Wie kontrolliere ich meinen Schwung?“ – sondern: „Wann vertraue ich ihm?“ Die Antwort liegt in der Balance zwischen Analyse und Intuition. Wer im Training bewusst arbeitet und auf dem Platz loslässt, verbessert nicht nur seine Technik, sondern auch sein gesamtes Spielgefühl.
Der Weg dorthin ist kein Geheimnis, sondern eine klare Struktur: Trainiere wie ein Techniker – spiele wie ein Künstler. Diese Haltung verändert den Blick aufs Golfspiel. Technik ist Grundlage, Vertrauen ist Schlüssel. Wer diese beiden Welten verbindet, wird erleben, wie aus Anstrengung Leichtigkeit und aus Kontrolle Freude wird.
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